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Interviewausschnitte aus einem Nachgespräch 2 Jahre nach Kursabschluss

Dirk.K. (Name geändert)

23 Jahre

Delikte: Landfriedensbruch, mehrere schwere Körperverletzungen

Abschnitt 1: Damals

I: Wenn wir noch mal kurz dahin zurückgehen und wir erinnern uns: Damals, wegen welchen Taten, wegen welcher Tat warst du verurteilt?

D: Landfriedensbruch ja - und wegen Körperverletzungen. Na das ist länger her. Ich kann mich da auch nicht mehr so dran erinnern, aber wegen schwerer Körperverletzung war es damals auch .

I: Und da hattest ja erzählt das waren mehrere Schlägereien, nicht?

D: Ja mehrere.

I: Hm.

D: Ja, alles wurde dann gemeinsam verhandelt.

I: Durchs Gericht kamst du praktisch hierher?

D: Ja, Ich habe vom Gericht noch weitere Auflagen gekriegt (zählt auf )

I: Aus dem was du so erzählt hast, hast du dich so beschrieben, damals, als einen, der jeden Tag gegangen ist, seine Kumpels besucht hat, der sich im Fernsehen Handwerkersendungen angeguckt hat, weil ihm das wichtig war.

D: Ja, das war ein Zeitvertreib, ich hab das dann ausprobiert.

I: Ja

D: Und jetzt ist es anders geworden. Ich geh ja jetzt arbeiten, Fernsehen gucken tue ich jetzt nur abends mal so für eine Stunde.

Und, naja das Wochenende gleich mit Familie.

I: Ja, das hattest du schon erzählt. Wir hatten dich damals beim Erstgespräch gefragt, Woran würdest du merken, dass dir der Kickkurs was gebracht hat?

D: Hm

I: Und da hattest du gesagt, „Ich würde mich nicht mehr in solche Situationen begeben..“

D: Hm

I: .“..ich will mir nicht mehr, die Zeit....ich will was tun“

D: Ja, in der Zeit war ich noch arbeitslos

 

Abschnitt 2: Wunderfrage – zukünftiger Tag

I: Das was hoffentlich mal wird, hattest du es damals genannt. Ja und das können wir ja jetzt mal vergleichen. Das hattest du gesagt am ... .... .2005: „5 Uhr aufstehen, zwei Stunden eher, in Ruhe frühstücken, Zeitung, Kaffee und Rauchen. Ich hätte Arbeit in der Nähe, Freundin wäre, ne Frau hätte ich, Kinder.. das klingt eigentlich nicht schlecht. Ich würde die Kinder wecken, würde aufhören zu rauchen.“

D: Das hat nicht geklappt.

I: (zählt weiter auf): „Auf Arbeit fahren, wenn es wieder Arbeit gibt, würde aber tagsüber arbeiten, ev. auch in Schichten. Das stört mich aber nicht. Ich würde nach Hause kommen, gucken wie es der Familie geht, Abendbrot machen, bisschen was mit den Kindern machen, fragen wie es so ging, Hausaufgaben helfen, Waschmaschine, abwaschen ins Bett gehen. Ich würde mir jetzt schon ein großes Auto kaufen, wegen Kindern,“da hattest du damals schon vorgeplant „Kinderwagen und Kindersitz“ und dann hast du nen guten Satz gesagt. Du hast zur Freundin gesagt, „Wie siehts denn aus, wie hört sich denn das Wort Papa an?“

D: lacht leise

I: Und du hast gesagt, zwei Jungen oder Mädchen wären gut, wegen Klamotten

D: Na wegen Geschwistern.

I: Und der wichtigste Satz war: „Hauptsache ich habe erst mal Arbeit.“ Das hab ich mir hier noch aufgeschrieben.

D: Genau

 

Abschnitt 3 – Auswertung KICK- Kurs – Situation heute

I: Wenn du noch mal für die, die das wissen wollen, jetzt alles zusammenfasst und sagst: „wenn ich jetzt an den KICK- Kurs zurückdenke“ – was ist dir denn noch in Erinnerung so quer Beet, was dir so einfällt?

D: Wir haben fast nur geredet. Ihr habt mir Aufgaben gegeben. Über das, was ich gemacht hab geredet, warum und weshalb. Warum überhaupt das Ganze passiert ist.

I: Wie könntest du die Gespräche nennen?

D: Ich kann das gar nicht so sagen. Man hat was draus gelernt, also – beim Hören was gelernt.

I: Sags mal so einfach wie´s geht!

D: Man wird schlauer dadurch, man denkt darüber nach wie man`s gemacht hat, „warum hast du´s überhaupt gemacht?“

I: Meinst du, das sich was klärt?

D: Man macht sich nen Kopp drüber. Eigentlich am ersten Tag, wo ich hier war, wo ich Heim bin „Eigentlich, wenn du das nicht gemacht hättest, brauchtest du die ganze Scheiße nicht machen. So nach und nach – immer nach den Gesprächen ist mir immer durch den Kopf gegangen: “Warum hast du das überhaupt gemacht?“ Die ganzen Gelder die du bezahlen mußtest, das hättest du alles sparen können.“

Aber ich hab´s ja nicht mehr ändern können. Aus Fehlern lernt man eben – wieder machen würd ich´s nicht.

I: Wie hättest du denn reagiert – als du das erste mal gekommen bist zum Kurs?

D: Der Richter sagt, ich muß zum KICK-Kurs, - gar nichts gewußt zu dem Zeitpunkt, ni gewußt, was das eigentlich ist. Du mußtest es ja machen, blieb dir ja sowieso nichts übrig.

Da hab ich gedacht: Mal gucken. Weil ich das eben gesehen hab mit der Fahrradwerkstatt, eine andere Sozialarbeiterin sagte schon : eine Kletterwand und so. Da dachte ich erst, man muß raus, in die Sächsische Schweiz und so. Mit der Fahrradwerkstatt , dass hatte ich ja dann rausgekriegt. Dachte: „Ja gut, mußt du eben was am Fahrrad bauen, so wie Sozialstunden.“

Aber dann was ganz anderes: Man kann drüber reden, über die Sachen, die man verbockt hat, - das ist eigentlich sehr gut. Also wenn man das nicht weiß, was das ist, kannst du dir nichts drunter vorstellen, du weißt nicht, um was es geht. Man muß eben erst zwei, drei Stunden hiersitzen, dann kanns werden. Dann kannst du dir langsam ein Urteil bilden und dann „Klappts – oder klappts nicht, hat´s Sinn oder hat´s nicht Sinn?“.

I: Du hattest ja gesagt, oder wir sagen ja im Erstgespräch, das Aggressionen -

D: Selber weg.

I: Nein, die bleiben auch.

D: Bleiben auch.

I: Vielleicht wie mit dem Rauchen, man geht vielleicht anders damit um. Wir kriegen die nicht weg.

Sag mal wie du „die weggemacht hast“ - mit deinen Worten.

D: Also ein anderer kann das gar nicht. Ihr könnt mir daß gar nicht wegmachen, das muß man schon selber. Du mußt darüber nachdenken, was du gemacht hast, Aggressionen hast du immer noch, die habe ich auch jetzt noch auf Arbeit, wenn was nicht geht. Oder beim Autofahren, wie gestern, fährt mir einer beim Überholen fast ins Auto rein und gibt mir noch Lichthupe!

Da habe ich auch gemeckert und getobt hinterm Lenkrad. Aber na ja gut, fährst eben weiter und lachst drüber.

Also wegnehmen kann dir das (die Aggressionen) keiner, das geht nicht. Wenn dir da einer sagt “das geht“, dann hat er so was noch nie gemacht in meinen Augen. Also der weiß nicht, um was es da geht, würde ich behaupten.

Denn die Aktionen die ich hatte, das mit dem rumprügeln und so – das ist weg. Ich meine, wenn´s um meine Familie gehen würde, könnte ich zwar auch an die Decke springen – aber.

Es ist nicht mehr so wie früher, das man da gleich ausflippt bei so was. Du lachst erstmal über die Leute.

I: Denkst du, diese Art ist verschwunden? Vor allen Dingen. Woran merkst du das?

D: Meinst du, das sie (die Aggressionen) weg sind, oder?

I: Die Art von damals, wo du gesagt hast, das mit dem rumprügeln, das ist jetzt weg? Was hat denn dazu beigetragen?

D: Die ganzen Trainingskurse hier, dann die Freundin und die Kinder, schon alleine dadurch und dann eben auch die Arbeit! Da hast du was zu tun, also du sitzt nicht alleine zu Hause und schiebst Langeweile und weißt nicht vor Frust, was du machen sollst. Du hast was zu tun!

Also ich würde behaupten, wenn du nicht zu Hause rumsitzt, kommst du auch nicht auf die Ideen. Weil, du hast dann was zu tun. Du kriegst Geld, du weißt wofür du Geld kriegst.

Wenn du arbeiten gehst, also nicht zu Hause sitzt, machst du so was nicht. Meine Meinung. So würd ich´s sagen.

I: Ich weiß noch, du hast damals so gesagt: Ich hab da dann auch in ... ne völlig andere Gruppe kennengelernt, das fand ich vom Hören auch was für dich Wesentliches, das du gesagt hast, „Die anderen sehe ich noch, die grüße ich noch, aber zu denen habe ich jetzt nicht mehr so viel Kontakt“.

D: Stimmt schon. Der Freundeskreis hat sich dann auch geändert bei mir, also das ganze Gegenteil von (nennt den Namen einer Stadt). Man kann nichts sagen. Wenn dort wirklich der Floh hustet, das sind die weg, während die anderen Heute sagen eher, „Na he, was ist los mit dir?“

Also das muß ich sagen, der Freundeskreis spielt auch eine große Rolle mit.

Also wir reden noch ab und zu miteinander. Aber die haben sich auch voneinander entfernt, wie ich gehört habe, da muß auch ziemlich gesplittet jetzt alles sein. Ist aber vielleicht auch das Alter.

I: Es geht ja jetzt auch ums Gericht, wo man sagen soll sagen soll, bringt der Kurs was oder nicht, kann man aus deiner Sicht sagen: „Deshalb habe ich mich verändert“? Was sind Faktoren, die dazu geführt haben? Die Arbeit, neue Leute oder ...

D: Das kam dann mit einem Mal sagen wir, das ist wie: Irgendeiner hat gesagt: „ Du hast dich jetzt zu ändern!“ und so mehrere Auflagen mit einem Mal reingeknallt. Dann so Arbeit, Freundin, Kind, Wohnung, die ganzen Trainings – also „UZ“. Bewährungshelfer mußte ich hin, dann Arbeit. Ich hatte eigentlich die ganzen Jahre seitdem voll zu tun. Ich hab auch jetzt noch viel zu tun! Also wenn ich Heim komme, da ist als Erstes: Was liegt an, was gibts zu tun? Mußt du als Erstes Klamotten waschen, brauchst ja Montag früh schon wieder neue. Dann gucken: Was ist passiert, gibt´s Post mußt du Wege erledigen? Gibt´s Wege, die deine Frau erledigen muß, weil Montags hat ja keiner weiter auf. Du hast eigentlich voll zu tun. Ab und zu triffst du dich noch mal mit jemandem ..

I: Du hast jetzt ja auch mehr Verantwortung, du hast Familie.

D: Vorher wo die Freundin noch nicht da war, da bin ich nach Hause gekommen, hab die Klamotten in die Waschmaschine, dann alles aufgehangen .. eingekauft. Da bist du dann Abend weggegangen. da brauchtest du dir über vieles nicht so nen Kopf zu machen: Mutter war Einkaufen, Essen war immer da, zu Trinken, wenn du die Wäsche nicht aufgehangen hast, hat´s die Mutter gemacht. Du brauchtest nur die Waschmaschine einräumen.

Und jetzt, da kommst du heim, weißt „du mußt Samstag einkaufen gehen, mußt Wäsche waschen, weil du ja die Klamotten wieder brauchst, mußt was in der Wohnung machen – Mensch, heute muß ich noch Hausordnung machen! – Da kommt noch die Hausordnung dazu.

Keller wollte ich eigentlich auch mal anfangen , das schieb ich schon ein halbes Jahr vor mir hin.

Man hat eigentlich immer was zu tu. Ja, klar – Verantwortung.

I: Das klingt ja jetzt für mich, als wenn der Tag und der Monat und die Woche, die haben wie so´ne Art – „Struktur“ sagt man dazu – ist so´n Fremdwort, „Abläufe“ ist vielleicht besser, die dich auch zu was zwingen. Wo du dir sagst.“ Jetzt ist das dran, jetzt das ..“ Du hast was zu tun mit deinen Händen und auch mit dem Kopf.

D: Genau. Ich hab nen Rythmus, ich hab nen Tagesablauf.

I: Du hast nen Rhythmus, ja!

D: Ich muß ja arbeiten gehen, ich hab ja unterschrieben, das ich arbeiten komme. So, dann der Sonnabend, da hast du den Samstag Abend noch für dich, dann Sonntag, mal ausschlafen, ohne das dich einer weckt. Oder du hast die Kleinen, die nachts schreien.

Aber du freust dich auch, wenn der Sonntag vorbei ist und du wieder arbeiten gehn kannst.

....

Du kommst dann müde nach Hause, außer so wie ich gestern – du kommst nach Hause, dann die ganze Nacht kümmerst du dich um die Kleinen. Na ja gut – aber das läßt sich nicht ändern. Aber die werden ja auch größer und schlafen dann länger... .I: Wenn du mal überlegst, was würdest du denen später erzählen von „damals“. Oder denkst du „Nee, brauch ich nicht, ist gegessen für mich“?

D: Also wenn sie fragen, würde ich ihnen sagen, was war. Aber wenn sie nicht fragen ... .

Also wenn sie jetzt auch mal Ärger haben, werde ich das auch sagen: „Ich reiß dir jetzt nicht den Kopf ab, ich war früher keinen Scheißdreck besser als du!“ Und dann wird bestimmt die Frage kommen. „Warum?“ und dann erzähle ich das denen. Ich sehe das nicht ein, warum ich vor denen ein Geheimnis haben muß. Gut ist das nicht, aber man kann´s ja dann nicht ändern, man war ja früher auch nicht besser. Du kannst ja nicht jemanden anschreien, und dann warst du früher selber nicht besser.

I: Du würdest also deine Kinder unterstützen.

D: Ich wüßte, wie ich´s machen muß, ich könnte mich da reinversetzen. Ich würde sagen: „Sieh zu , das du aus der Scheiße kommst, ich kann dir da helfen.“ So sehe ich´s sozusagen.

I: Schöner Schlußsatz! Haben wir noch was Wichtiges für deine Zukunft? Oder wo du selber sagen würdest: „das fehlt mir noch“ ? – das klingt jetzt allerdings gar nicht so.

D: Also was ich damals vor drei Jahren (im Erstgespräch als Zielformulierungen) gesagt hab, da war ich jetzt richtig erstaunt, als ich das nochmal gehört habe. Ging alles auf, ws ich mir vorgenommen hatte – oi! sportlich, ging alles auf!

I: Sportlich!

D: Kinder, Familie, Arbeit .. naja, das einzige ist mit dem Rauchen ...

I: Da arbeitest du noch dran!

D: Mal sehen ob´s klappt.

I: Ich hab noch als Schlußidee – wenn wir jetzt noch mal gucken, wie´s dir jetzt geht und wir nehmen noch mal die Zahlen(skala), die wir immer verwendet haben. Und wir sagen 0 ist „das beschissenste, wie mir´s ging“ und 10 ist „das absolute Maximum, was geht“. Wie würdest du sagen, warst du zu der Zeit damals drauf, vor dem Kurs?

D: Da war ich bei 2.

I: Und jetzt?

D: Jetzt so würd ich sagen „Ich kann mich nicht beklagen, eigentlich so läuft alles einwandfrei“.

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