Dingekiste
In der „Dingekiste“ findet der junge Mensch diverse Gegenstände (bspw. Strohpuppen, Steine, Sanddose, Wollknäul, Fahrradbremse, Strick, Stifte, Pinsel usw.), die er symbolhaft für bestimmte Ereignisse oder Themen in seinem Leben im Raum platzieren kann.
Er soll dabei Gegenstände finden, die z.B. dafür stehen können, was in seiner Vergangenheit eine Rolle spielte, was für ihn zur Zeit eine Bedeutung hat und welche Symbole für seine Zukunft stehen könnten.
Nachdem die Aufgabe vorgestellt wurde, bekommt der junge Mensch Zeit sich allein der Aufgabe zu widmen.
Im Anschluss schauen wir uns gemeinsam das Entstandene an und der Jugendliche kann auf die Bedeutung der Symbole eingehen.
Ziel der Methode ist es nicht den Jugendlichen durch die gewählten Symbole zu „analysieren“ oder nach Interpretationen zu suchen. Vielmehr kann sie spielerisch eine andere Art der Betrachtung seines Lebens ermöglichen. Darüber hinaus können sich weitere Themen für ihn und den Kursverlauf ergeben. Für viele ist diese Methode eine neue Erfahrung ihr Leben räumlich, symbolhaft und kreativ darzustellen.
Neben den Erfahrungen, die die Jugendlichen während der Treffen machen, gehen wir davon aus, dass gerade durch die Auseinandersetzung nach den Treffen viele weitere Gedanken angestoßen werden und dadurch neue Lösungen entstehen können.
Im 6. Treffen mit einem 14-jährigen vietnamesischen Mädchen, Lan*, erzählten wir von der „Dingekiste“ und fragten, ob sie sich vorstellen könne, es auszuprobieren. Nachdem Lan zustimmte, zeigten wir ihr die Kiste und ließen sie mit ihr allein. Lan holte uns nach ca. 30 min zurück in den Raum.
Wir sahen am Boden eine Spirale aus verschiedenen Gegenständen aus der Kiste, was uns erstaunte. So waren wir bis dahin, eine Darstellung des Lebens als Linie gewohnt.Lan sagte, dass sie ihr Leben von Innen nach Außen als Spirale gelegt habe. Die Mitte der Spirale zeigt den Anfang ihres Lebens. Nach Außen hin werden die Kreise immer größer und stellen den weiteren Verlauf ihres Lebens dar. Sie erklärte uns die Bedeutung der Symbole und begann mit dem inneren Anfang der Spirale:
2 Engelsstrohfiguren: stehen für die Eltern, 1 Herzstrohstern als Verbindung der Eltern
Stein:steht für Maria, die aus der Verbindung der Eltern entstanden ist
Fahrradbremse: die Eltern haben ihr beigebracht Fahrrad zu fahren
Seife: Eltern haben ihr gelernt, wie man sich wäscht
Glas mit Sand: steht für den Kindergarten, wo sie gern hinging und wo sie gern im Sandkasten gespielt hat
Strohfigur: steht für den Bruder, der zur Welt kam, als sie im Kindergartenalter war
4 schwarze Magnete: stehen für das Alter von Lan als der Bruder zur Welt kam und für den Ärger, den er mit sich brachte.
Muschel: steht für den Urlaub in Vietnam 2003, sie waren am Strand, es war eine schöne Zeit mit der Familie, baden im Meer, zusammen essen, es gab da Muscheln, mit dem Bruder gab es dort keinen Ärger, denn es waren viele Leute da, dann ist er eher zurückhaltend und schüchtern.
Maske und weißes Tuch: steht dafür, dass es für Lan dann ziemlich schwierig in der Schule und mit den Eltern wurde, das war 2004, also 5./6. Klasse, der Schulstoff wurde schwerer, Lan kam ziemlich unter Druck, die Eltern wollten, dass sie gute Noten schreibt, sie solle Abitur machen und studieren, die Eltern haben den Plan, dass Lan im Büro arbeite und viel Geld bekomme. Lan will so einen Job nicht, ihr Vater will, dass sie in Vietnam für eine dt. Firma arbeite, bis jetzt haben alle in ihrer Familie studiert, Lan kann sich das für sich nicht vorstellen und weiß noch nicht, was sie will.
Wollknäuel: steht für ihre Brieffreundin, die in einer anderen Stadt wohnt, die vielen Fäden sind die Verbindung zwischen beiden, Lan kennt sie seit 2 Jahren.
schwarze Kiste: steht für alle Briefe von Lan, sie ist ihre kleine Schatzkiste.
Flasche: Lan war auf Klassenfahrt, das hat Spaß gemacht, viel Unsinn gemacht, es gab Alkoholverbot, trotzdem Alkohol getrunken, es gab Spiele nachts im Pool, es wurde viel geredet und gespielt.
Cuttermesser: Die Lehrerin hat das mit dem Alkohol rausbekommen, es gab Ärger, die Lehrerin meinte, dann könnten sie sowas nicht mehr machen, sie habe Vertrauen gehabt und mit der ganzen Klasse geschimpft.
Uhr: der Zeiger steht für das Jetzt, dass was Lan jetzt macht (Zeiger steht auf kurz vor vier), danach fängt für Lan die Zukunft an, davor war die Kindheit, das Erwachsenenalter geht bis 9:00 Uhr, 9:00-12:00 Uhr steht für das Alter, 5:00 Uhr ist die Schwelle zum Erwachsensein, das Tempo könnte so bleiben, wenn es schneller ginge, müsste Lan bald arbeiten, was sie noch nicht will. Wenn die Zeit langsamer vergehen würde, müsste Lan länger bei den Eltern bleiben und die Schule wäre länger, das würde ihr nicht gefallen, sie ist mit dem Tempo der Zeit zufrieden.
Zange und Flaschenöffner: steht dafür, dass sich in der Zukunft Probleme lösen und Lan in Ruhe weiterleben kann, wie weiß sie noch nicht. Lan´s Probleme sind manchmal ihre Eltern, der Bruder oder die Schule.
Auto: steht für Lan´s erstes Auto.
Kiste: steht für Lan´s Haus oder Wohnung in der Zukunft.
4 weiße Magnete: stehen für weitere Etappen des Lebens, vielleicht keine Geldprobleme haben, genug Geld zu verdienen, genug Essen und Trinken zu haben.
Geschenk: steht dafür, dass das Leben immer Überraschungen hat.
Strohfiguren: 2 Strohengel stehen für Lan und ihre große Liebe, die sie irgendwann finden wird, 1 Herzstrohstern steht für die Liebe an sich.
Waage (oberhalb der Spirale am Balken befestigt): soll dafür stehen, dass es im Leben immer etwas gutes und etwas schlechtes gibt, was sich dann ausgleicht, im Moment überwiegt das schwierige, es sollten weniger Familienprobleme da sein, vielleicht mehr Unternehmungen mit der Familie, würden uns besser verstehen, vielleicht wären die Eltern besser drauf.
Als wir Lan im Anschluss an das Treffen fragten, wie es ihr mit der Aufgabe ging, sagte sie, dass sie es gut fand mal ihr eigenes Leben darzustellen. Das Leben mal mit so einfachen Gegenständen zu sehen, beschrieb sie als schön und lustig.
* Name geändert
