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Aus einem Gespräch

Feroza * (11 Jahre) hat ihr Gedichtebuch mitgebracht und liest mir ihre selbstgeschriebenen Gedichte vor. Sie handeln von ihrem Bruder, Gefühlen, Liebe, Wut, Kummer, Fragen und beeindrucken mich sehr.
Über das Gedicht „Die Wut“ kommen wir ins Gespräch. Sie beschreibt darin, dass Wut ein wichtiges Gefühl ist, was man nicht einfach unterdrücken darf, weil es wertvoll ist. Ich frage sie, warum sie denkt, dass Wut so ein wichtiges Gefühl ist. Und sie sagt, dass Wut ein Schmerz ist, wenn das Herz traurig ist. Feroza erklärt, dass Wut rauslassen helfen könne und das, wenn wir sie uns verkneifen, sie im Körper bleibe und man dann traurig bleiben müsse. Während ich ein paar Sätze mitschreibe und eine kleine Gesprächspause entsteht, sagt Feroza, dass sie mir eine Frage stellen müsse, die ich nicht falsch verstehen solle. Sie komme so gern ins prisma und es mache ihr viel Spaß bei uns. Doch seit einiger Zeit, frage Sie sich, warum Frau S. aus der Migrationserstberatungsstelle sie zu uns geschickt habe. Fast ein bisschen schüchtern fragt sie mich, ob Frau S. denke, dass Feroza große Probleme habe. Und sie erzählt davon, dass Sie hier bei uns im Haus schon oft Jugendlichen begegnet sei, die wirklich traurig ausgesehen haben und manchmal sehr auffällig angezogen waren. Wie der Junge, der auf der Bank vor dem Haus saß, rauchte und Punkklamotten trug. Er habe so traurig ausgesehen. Feroza sagte mir, dass sie glaube, dass Punks sich so anziehen, weil sie damit ihre Gefühle zeigen.

Ich erzähle ihr, dass zu uns ganz verschiedene Jugendliche aus verschiedenen Gründen kommen und dass es bei uns im Haus zwei Projekte gibt. Wir unterhalten uns über die Arbeit vom „UZ“ und den straffällig gewordenen Jugendlichen. Dann geht es um Straftaten und der Frage, wie es dazu kommen kann, dass jemand straffällig wird oder andere verletzt. Dabei kommen wir wieder auf das Thema Wut und mir fällt Feroza´s Gedicht wieder ein. Ich sage zu ihr, dass ein Grund ja derselbe sein kann, wie sie es in ihrem Gedicht beschreibt. Nämlich, dass die Wut vielleicht nie raus durfte. Feroza ist an den Lebenslagen der Jugendlichen sehr interessiert und wir unterhalten uns über Ausdrucksmöglichkeiten von Wut und Gefühlen. Ich erzähle Feroza, dass ich denke, dass ihr Gedicht vielleicht dem ein oder anderen Jugendlichen im „UZ“ helfen könne mit seiner Wut umzugehen und wir beschließen ihr Gedicht im Gruppenraum aufzuhängen, damit es Jugendliche lesen können.

Dann geht es um den Grund, warum Feroza zu uns geschickt wurde. Ich erzähle ihr, dass prisma, ein spezielles Projekt für Jugendliche ist, deren Eltern aus anderen Ländern kommen, ebenso wie bei Feroza und dass es da auch manchmal ein paar Unterschiede gibt. Feroza sagt, dass sie das auch schon bemerkt habe, dass sie zwar ähnlich wie ihre deutschen Freundinnen sei, aber eben manchmal auch ein bisschen anders. Ich erzähle ihr, dass prisma so ein Ort ist, wo man sich über Unterschiede austauschen und gegenseitig voneinander lernen kann. Dann berichte ich ihr, dass Frau S. immer sehr lobend und bewundernd von Feroza spricht, dass sie so gut in der Schule sei und Freunde habe und, dass sie so schlau sei. Feroza strahlt mittlerweile übers ganze Gesicht. Und ich erzähle weiter, dass Frau S. sagte, dass sie denkt, dass Feroza nun in die Pubertät komme und vielleicht Fragen an zwei junge Frauen habe, die das ja schließlich auch mal erlebt hätten. Ich sage zu Feroza, dass sie das auch gern in Anspruch nehmen kann, wenn ihr danach ist. Sie nickt ein bisschen erleichtert und sagt, dass wir anfangs für sie ja fremd gewesen seien, wir aber nun zwar nicht wie ihre besten Freundinnen wären, aber sie schon großes Vertrauen zu uns habe. Sie erklärt mir, dass man das daran erkennen könne, dass sie manchmal ein bisschen wartet bevor sie was erzählt. Das heiße, dass sie nachdenke und sich nicht bedroht fühle. Ich sage ihr dann, dass sie uns auch sagen kann, wenn sie mal nicht mehr zu uns kommen will, weil sie keinen Bedarf mehr hat. Sie sagt, dass dies in nächster Zeit erstmal nicht sein wird, es aber schon passieren kann, dass sie irgendwann andere Termine haben werde.

Am Ende des Treffens schauen wir uns gemeinsam Bilder an, die Jugendliche im „UZ“ gemalt haben. Feroza findet, dass alle Bilder Kunstwerke seien.

Das Gespräch über die Gründe ihres Besuchs war vor dem Hintergrund interessant, dass Feroza nun schon seit einiger Zeit zu uns kommt. Es war für Feroza und ihren Vater aus verschiedenen Gründen nicht immer möglich wöchentliche Treffen mit uns zu vereinbaren. Wie bei jedem neuen prisma-Besucher arbeiteten wir auch mit Feroza die ersten Treffen an ihrem Auftrag an uns. Wir merkten aber recht schnell, dass dies nicht so richtig gelingen wollte. Natürlich hatten wir einige Überlegungen zu den Gründen angestellt, wie z.B. die Frage, ob es an Feroza´s Alter liegen könne und daran, dass sie eben eher noch Kind als schon Jugendliche sei. Oder ob es vielleicht nicht der Denkweise ihres kulturellen Hintergrunds entspricht so schnell so klare Aufträge zu verteilen und damit ja Persönliches zu eröffnen. Aber viel wichtiger war für uns die Entscheidung ihr einfach Zeit zu geben, denn dass ihr die Treffen gefielen, sagte sie uns oft und auch uns gefiel die Atmosphäre mit ihr und ihre Sichtweisen auf das Leben, die uns bereicherten. Wir ließen uns also auf die Themen ein, die sie uns anbot. Es entstand ein immer tiefer werdender Kontakt und ein spannender Arbeitsprozess kam in Gang. Der geschilderte Gesprächsverlauf ist für mich ein Zeichen, dass dieser Weg gut so war, das die Zeit nötig war Vertrauen zu schaffen, uns kennen zu lernen und Türen zu öffnen. Vor allem die Haltung des „Nichtwissens“, das Einlassen auf ein anderes Tempo und Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen erwiesen sich einmal mehr als geeignet für den Prozess von Feroza.

 

Die Wut

Die Wut ist ein Schmerz,
Der dich jeden Tag verfolgt.
Die Wut gehört zum Herz,
Der deine Seele bewolkt.
Wut ist nunmal ein Teil von dir,
Das solltest du verstehen.
Lass sie nicht verschwinden,
Sie darf einfach nicht gehen.
Du solltest dich in Acht nehmen,
Du bist einfach zu fein.
Sie kann, sie kann überall sein.

Anmerkung der Autorin: Es ist nicht schlimm Wut zu haben,

denn damit drückt man seine Gefühle aus

 

* Name geändert

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